Bill Gates, verwackelte Fotos auf Instagram und ein ungetoasteter Blog-Artikel

Just in diesem Moment, Donnerstag der 14.11.2013 um 12 Uhr beginnt in Berlin eine Veranstaltung der Bill and Melinda Gates Foundation mit der Fragestellung (O-Ton): „Wie können Technologien sowie Innovationen – neu wie alt – das Leben der Menschen in Entwicklungsländern verbessern?“. Anwesend dabei, hört, hört: Bill Gates höchstpersönlich.

Es gab 2 Möglichkeiten Einlass zu diesem Event zu bekommen: man erhielt eine persönliche Einladung, oder man sammelte „Punkte“ durch bloggen, twittern, folgen und verlinken von Inhalten der Bill and Melinda Gates Foundation.

Inpatient optimists Anmeldung

Jetzt twittern wir mal alle für den „guten Zweck“. Soll heißen  „Innovationen in der Entwicklungshilfe“ voran zu bringen oder auch einfach die Chance nutzen, Bill Gates persönlich zu erleben. (Screenshot Webseite www.inpatientoptimists.de/anmelden vom 13.11.2013)

Handshake mit Bill Gates

Ich gehöre, zu meiner Verwunderung, zu der Gruppe der persönlich eingeladenen. Schön, dass man mich als Spezialist für Innovation und Technologie im Gesundheitsbereich einstuft, vielen Dank. Aber Entwicklungsländer? Mein Fokus ist eher diese Technologien dem Deutschen Markt zukommen zu lassen. Ich als Bote des Transfers dieser Technologien in die große weite, 3.Welt?!? Hüstel, hüstel.

Bill Gates mal persönlich treffen zu dürfen ist natürlich eine einmalige Gelegenheit. Daher war mein erster Plan auch hinzugehen. Ich wurde aber das Gefühl nicht los, dort nicht sonderlich zur Diskussion beitragen zu können. In den folgenden Tagen wurde mir dann einiges klar: auf Twitter, Facebook, xing und Co outete sich die/der eine oder andere voller Freude und Stolz, dass er ebenfalls eingeladen war. Es handelt sich um die „Altbekannten“ aus dem Umfeld der deutschen Health 2.0, Digital Health oder Sonst-Sowas-Szene, zu der ich mich auch mal zugehörig fühle. Da hat jemand sauber recherchiert und die Multiplikatoren der deutschen Szene ausfindig gemacht. Nun, ohne irgend jemand auf den Schlips treten zu wollen, so primär was mit „Entwicklungszusammenarbeit“ haben die alle nicht wirklich zu tun. Trotzdem sind wir alle geladen, aber warum?

PR-Nummer für den Start der deutschen Impatient optimists Gruppe?

Die löblichen drei Ziele der Bill and Melinda Gates Foundation sind Bekämpfung von Armut, schlechter medizinischer Versorgung sowie die Förderung von Bildung in Entwicklungsländern. Ein Organ der Foundation ist das Blog Impatient optimists. Hier kann man sich als Autor bewerben und Artikel zu einem vorgegebenen Themenkatalog veröffentlichen. Neben dem Englischsprachigen Seite gibt es auch Ableger in chinesisch, spanisch, französisch und seit kurzem auch in deutsch (Wenn ich auf die schnelle richtig recherchiert habe ist der erste Artikel von 6. Oktober 2013). In der Einladungsmail zur Veranstaltung beschreibt man sich folgendermaßen: „Die Impatient Optimists – Deutschland ist eine Community deutscher Digital Leader, die sich mit internationaler Entwicklungszusammenarbeit, Gesundheit und digitalen Innovationen auseinander setzt.“ Dazu wurde gleich der Link zur Anmeldung mitgeliefert. Ich klickte drauf und war sichtlich verwundert: die Applikation Social Toaster übernahm das Regiment.

„Getoastet, nicht geschüttelt“

Bei Social Toaster handelt es sich um ein Startup mit einer an sich pfiffigen Idee: der Nutzer verbreitet Links von einer Institution, Unternehmen, Musikgruppe oder sonst etwas über seine Social Media Kanäle und bekommt dafür Punkte gut geschrieben. für die Punkte bekommt er dann Belohnungen, Goodies, Merchandising-Artikel etc. Dieses offizielle Video fasst das Prinzip anschaulich zusammen.

Ein konstruiertes Beispiel: wenn nutella auf Facebook 17.932.039 „Likes“ erhalten hat, sollte es doch genug Leute geben, die bereit wären, die Tweets und Posts von nutella (per Vorschlag und Bestätigung mit einem Klick) in der eigenen Timeline des Nutzers erscheinen zu lassen. Vor allem, wenn es dann für den „Super Fan“ ab und zu mal ein 1000ml-Glas Nuss-Nugat-Creme zum auslöffeln gäbe.

Socialtoaster Registrierungsformular

„Diese Applikation kann Tweets für Dich veröffentlichen“. Danke, mache ich lieber selbst. (Screenshot Popup zur Autorisierung des Zugriffs von socialtoaster.com auf ein Twitteraccount)

Genau das ermöglicht Social Toaster. Und genau dieses Tool setzt auch die deutsche Impatient optimists Gruppe ein.  Mehr noch: man muss sich bei Social Toaster anmelden und wahlweise sein Twitter/ Facebook/ Linkedin-Account angeben, um sich den Impatient optimists anschließen zu können. Wer mitmacht wird zum „Digital Leader“ gekürt und bekommt seine ersten 50 Punkte gut geschrieben. In den AGBs auf der deutschen Impatient optimists Webseite findet sich eine Auflistung: folgen der Stiftung auf Facebook: 25 Punkte; einen Freund werben: 100 Punkte; einen Stiftungstweet retweeten: 25 Punkte etc. In einem Blogpost auf selbiger Webseite dazu:  „Das Leaderboard unserer Community gibt euch und uns die Möglichkeit, die Aktivität aller Mitglieder zu messen – und trägt so vielleicht auch ein bisschen zu einem „freundlichen  Wettkampf“ bei.“ Da ich diese „Punktesammelaktion“ mehr als dämlich finde, muss dieser Artikel aus Protest ohne Links zu den Webseiten der Stiftung auskommen.

Gamification und Virtual Marketing ist für mich eigentlich ein alter Hut und längst „durch“. Sie sind das Metier von Brand Marketing Abteilungen um die Social Media Kanäle von ihren „Fans“ „voll spammen“ zu lassen. Ob sie sich als Tools für NGOs und Stiftungen eignen, bezweifele ich. Gute Inhalte verbreiteten sich im Netz schon immer von alleine, das ist eine alte Web 2.0-Weisheit.

Aktuell geht es scheinbar erst mal um „Entwicklungshilfe“ für den neu zu etablierten Arm der Bill und Melinda Gates Foundation in Deutschland. Dafür macht sich sogar Bill auf die Socken um „persönlich mit uns zu diskutieren und sich unsere Ideen anzuhören“. Dafür erscheint mir Teilnehmerzahl zu hoch und die Zusammensetzung zu heterogen. Wie soll man eine Veranstaltung ernst nehmen, bei der 50 Tickets an beliebige Leute verlost wurden, die ein bisschen Publicity im Netz gemacht haben? Man kann nur hoffen, dass irgend jemand auch die Leute eingeladen hat, die wirklich konstruktive Inhalte beitragen könnten.

Im Büro bei der täglichen Arbeit

no image available instagram

-Sorry, no image available-  Das Foto auf instagram, wie mir Bill wohlwollend auf die Schulter klopft, fällt leider aus. Ich bin schlichtweg nicht da gewesen.

Ich sitze hier stinknormal im Büro und gehe meiner täglichen Arbeit nach. Business as usual. Die deutschen „Digitalen Leaders“ diskutieren fleißig, ohne mich, die Innovationen für die Entwicklungsländer. Oder so.

Sicherlich werden sich heute noch viele innovative, weltverbessernde Tweets wie „Diskutiere gerade mit Bill Gates“ und dazu verwackelte Bilder auf Instagram im Netz finden lassen. Als Beweismaterial, sonst glaubt es einem ja keiner.

Fazit und Message an die deutsche Impatient optimists Gruppe

Wenn ihr eure PR-Phase durch habt und den Socialtoasing-Quatsch vergesst, können wir uns gerne mal produktiv zusammensetzen. Mit oder ohne Bill am Tisch, ist mir völlig Wurst.
Ich kenne die Bill & Melinda Gates Foundation seit einigen Jahren und halte sie, trotz einiger Vorbehalte, für einen guten Ansatz. Ich könnte mir gut vorstellen, mit meinen bescheidenden Möglichkeiten wohlgemerkt, euch zu unterstützen.
Bin ein bisschen verwirrt von dem ganzen Drumherum zum Deutschland-Start, daher hier ein nicht so positiver Artikel von mir.
Aber laut Brendan Behan gibt es ja keine schlechte Publicity. Jede Nennung in einem Medium erhöht den Bekanntheitsgrad, und so habe ich hier ja schon mal guten Willen gezeigt;-)