Seit dem 04.07. ist eine neue App für Diabetiker erhältlich: mysugr.com. Nun, Health Apps für Diabetiker gibt es zu hauf: eine kurze Suche nach „Diabetes“ im Appstore liefert weit über 600 Ergebnisse. Warum sollte ich also darüber schreiben?
Vornehmlich aus 3 Gründen:
# sie ist cool gemacht
# sie ist von Diabetikern gemacht
# sie ist ein zertifiziertes Medizinprodukt.
Webseite und App sind aufwendig designed und wirken konzeptionell und technisch ausgereift. Nichts wirkt billig oder nach 0-8-15 Umsetzung von der Stange. Hier macht sich sicher bemerkbar, dass das Wiener Start-up mySugr GmbH über mehrere Investoren verfügt und bei einem Startup Wettbewerb 30.000 € Siegerprämie einstreichen konnten.
Die Ansprache an den Nutzer ist formlos & direkt, im Insider-Stil. Tatsächlich sind 2 der Gründer Typ I Diabetiker und wissen wovon sie sprechen. Es ist also keine App von der Pharma-Industrie, einer Klinik oder sonst irgend jemand, sondern eine App von Diabetikern für Diabetiker.
Der Ansatz ist nicht einfach nur eine weitere „Diabetes-Tagebuch-App“ zu bieten, sondern es geht darum „der Diabetes Sau mal kräftig in den hintern zu treten„. Die durch den Nutzer eingegebenen Daten werden umgehend durch einen Avatar kommentiert, ferner werden alle Eingaben mit einem Punktesystem belohnt. Je mehr die App mit den eigenen Diabetes-Daten gefüttert wird, desto mehr Punkte gibt es. Denn je mehr Daten eingegeben werden, desto präziser kann die mySugr-App auch Feedback geben. Die App will durch Einsatz von Gameification Elementen also vor Allem dafür sorgen, dass man sich um seine Erkrankung kümmert. Oder wie es ein Slogan von mySugr umschreibt:“Turning diabetes into a game.“
Webisode: Founderz Hood // MySugr from viralvideo – web video productio on Vimeo.
Also alles nur ein Spiel?! Ist die App dann überhaupt ernst gemeint oder nur ein humoristischer Versuch von einer Handvoll Diabetiker, um ihre Erkrankung zu verarbeiten?! Weit gefehlt. Man hat sich die Mühe gemacht, eine CE-Zertifizierung als Medizinprodukt zu bekommen. Hierfür muss „ein Nachweis der Sicherheit und der medizinisch-technischen Leistungsfähigkeit“ erbracht werden. Dies bringt neben bürokratischen Hick-Hack auch diverse zu erfüllende Auflagen gerade im Bereich Datensicherheit mit sich. Dafür gewinnt die App natürlich enorm an Ernsthaftigkeit und könnte z.B. auch ganz offiziell in einer Klinik zur Therapieunterstützung eingesetzt werden.
Der spielerische Ansatz zur Bewältigung von Erkrankungen ist natürlich auch nicht wirklich neu. Vor einigen Jahren waren Serious Games der Hype schlechthin und es wurden eine Vielzahl an Health Games entwickelt. Neben Krebs ist Diabetes dabei sicherlich eine der Erkrankungen, für die es die meisten dieser Serious Games gibt.
Neu ist allerdings, dass die Zielgruppe nicht mehr Kids sind und man daher auch ohne den sonst obligatorischen Manga-mäßigen Comicstyle auskommt. mySugr.com adressiert offensichtlich den adulten Diabetiker. Die Gamer sind erwachsen geworden und spätestens seit foursqare ist Gamification im Mainstream angekommen. Die mySugr-Applikation dient auch nicht der spielerischen Vermittlung von Diabetes-Wissen sondern ist ein Tool für Fortgeschrittene, die längst wissen was eine BE oder IE ist.
Positiv finde ich auch, dass Support nicht als notwendiges Übel sondern als ein Hauptanliegen gesehen wird..“Support“ ist einen der 4 Reiter im Hauptmenü der Webseite. Wählt man ihn, kommt man zu „Frag Fredrik„.
Das ganze soll also auch Chefsache sein?! Fredrik Debong, einer der Gründer von mySugar macht Support?! Das habe ich umgehend getestet. Auf meine Anfrage über obiges Formular „ob er heute schon was Süsses genascht habe“ bekam ich exakt 11 Minuten später per Mail eine Antwort, tatsächlich von Fredrik: „Oh, ja, ein Club Mate als ich ins Büro kam!“.
Zusammenfassend gesagt hebt sich mySugr deutlich ab in der Flut von Gesundheits-Apps. Neben der hochwertigen Umsetzung macht die richtige Mischung aus Spaßfaktor und praktischen Nutzen den Reiz der Anwendung aus.
Bedauerlicherweise (bzw. zum Glück) bin ich kein Diabetiker und kann die App daher nicht im Praxiseinsatz testen. Sonst hätte ich wahrscheinlich auch gleich einen Vergleichstest mit der ähnlich gearteten HealthSeeker-App gestartet…