Im Dezember 2012 veröffentlichte die Europäische Kommission eine Pressemeldung mit dem Titel „Putting patients in the driving seat: A digital future for healthcare“ (Pressemeldung in Englisch – in Deutsch). Die Pressemeldung stellte einen Aktionsplan (Action Plan) vor, der auch die Erstellung eines Green Paper mHealth angekündigte. Fertigstellung dieses Papers wurde für 2014 angegeben. Mit diesem Artikel möchte ich den Aktionsplan in Erinnerung rufen und nachforschen, wie der aktuelle Stand zum angekündigten Green Paper ist.
Der Aktionsplan
„Die Europäische Kommission hat einen Aktionsplan vorgestellt, mit dem die Hindernisse angegangen werden sollen, die den vollen Einsatz digitaler Lösungen in den europäischen Gesundheitssystemen behindern. Ziel ist es, Patienten medizinisch besser zu versorgen, ihnen mehr Kontrolle über ihre Gesundheitsfürsorge zu geben und die Kosten zu verringern. Auch wenn Patienten und Mediziner mit Begeisterung auf telemedizinische Lösungen zurückgreifen und Millionen Europäer Smartphone-Apps herunterladen, um ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden im Blick zu haben, muss die digitale Gesundheitsfürsorge ihr großes Potenzial, die medizinische Versorgung zu verbessern und Effizienzgewinne zu erzielen, erst noch ausschöpfen“ ist im Pressetext zu lesen. Der Akionsplan, an anderer Stelle auch als eHealth Action Plan 2012-2020 bezeichnet (und damit auch mit einem Zeitrahmen versehen), sieht folgende Aktionen und Maßnahmen vor:
- Klärung der Gebiete, auf denen Rechtsunsicherheit besteht;
- Verbesserung der Interoperabilität zwischen Systemen;
- Verbesserung der Aufklärung und Kompetenzen der Patienten und der Angehörigen der Gesundheitsberufe;
- Ergreifung von Initiativen im Zusammenhang mit dem individuellen Gesundheitsmanagement, die den Patienten in den Mittelpunkt stellen, sowie die Förderung von Forschungsvorhaben zu personenbezogenen Arzneimitteln;
- Gewährleistung kostenfreier Rechtsberatung für Firmengründungen im Bereich des elektronischen Gesundheitswesens.
(Mehr Details und weitere Maßnahmen hier.)
Aufhorchen sollten Startups bei dem letztgenannten Punkt „kostenfreie Rechtsberatung“. Über die damit verbundene Prozedur, wer genau Anspruch darauf hat, konnte ich keine Infos finden. Vielleicht handelt es sich hier um von der EU bereit gestellten, aber mangels ausreichender Kommunikation nur selten abgerufenen finanziellen Mitteln. Wer es probieren möchte: Ansprechpartner sieh Pressemeldung.
Als Kernaussagen und Hauptziele des eHealth Aktionsplans sehe ich eine patientenorientierte Gesundheitsversorgung, interoperable Lösungen auf EU-Ebene sowie Schaffung einer flankierenden Rechtssicherheit.
Mobile Gesundheitsanwendungen und andere, neue Vokabeln
In einem Abschnitt widmet sich der Volltext des eHealth Aktionsplan 2012-2020 detaillierter mit mHealth. Etwas befremdlich wirkt das „EU-Beamtendeutsch“: Mobile Gesundheitsanwendungen steht für mHealth. Bestimmte Softwareanwendungen für mobile Geräte werden, wie die EU Kommission selbst eingesteht, auch „Apps“ genannt.
Was genau die EU im Fokus hat, lässt sich ganz gut aus folgenden Ausschnitten aus dem Aktionsplan erahnen:
Das Wachstum des Marktes der mobilen Anwendungen für Gesundheitsfürsorge und Wohlergehen geht einher mit einer raschen Zunahme der Zahl der für mobile Geräte bestimmten Softwareanwendungen (auch „Apps“ genannt). Solche Apps können Informationen, Diagnosewerkzeuge, Möglichkeiten der Selbstmessung sowie neue Arten der Fürsorge bieten. Dadurch verwischen sie die Grenze zwischen herkömmlicher Behandlung durch einen Arzt einerseits und Selbstbehandlung und -pflege andererseits.[…]
Angesichts der hohen Komplexität, die durch mobile Gesundheitsanwendungen („mHealth“) und „Anwendungen für Gesundheit und Wohlergehen“ entsteht, sind weitere Klarstellungen in Bezug auf den für diese besonderen Bereiche geltenden Rechtsrahmen nötig. Die rasante Entwicklung in diesem Sektor wirft Fragen bezüglich der Anwendbarkeit der derzeit geltenden Rahmenbedingungen und der Verwendung der mit diesen Anwendungen gesammelten Daten durch Einzelpersonen und medizinische Fachkräfte auf. Zudem stellt sich die Frage, ob und gegebenenfalls wie diese Anwendungen in Gesundheitsversorgungssysteme
integriert werden sollten. Klare Informationen und Benutzerfreundlichkeit sind ebenfalls wichtige Aspekte, die es zu berücksichtigen gilt. All dies muss ohne Überregulierung bewältigt werden, denn es handelt sich um ein neu entstehendes Technologiecluster, dass zwar geringere Kosten und Risiken birgt, aber auch geringere Renditen verspricht.
Dafür zu sorgen, dass der Markt der Anwendungen für Gesundheit und Wohlergehen den Ansprüchen der Bürger an die Qualität und Transparenz genügt, wird eine der Herausforderungen sein. Erleichtert werden sollte dies dadurch, dass hochwertige und umfassende Informationen über die Nutzung und die Leistungsfähigkeit dieser Anwendungen gegeben werden und dass die Interoperabilität zwischen den Gebieten Gesundheit und Wohlergehen gewährleistet wird.
An dieser Stelle im Aktionsplan wurde dann auch „ die Veröffentlichung eines Grünbuchs zur mobilen Gesundheitsfürsorge [=Green Paper mHealth], das sich mit Qualitäts- und Transparenzfragen befassen wird„, für 2014 angekündigt.
Das Green Paper mHealth
Was sich wie eine schlechte Übersetzung anhört, ist tatsächlich ein geläufiges Wort im EU-Sprachjagon: Grünbuch. Wie auf wikipedia zu lesen ist, handelt es sich dabei um ein „Diskussionspapier zu einem bestimmten Thema, insbesondere Vorlagen für Verordnungen und Richtlinien, mit dem Zweck, auf diesem Gebiet eine öffentliche und wissenschaftliche Diskussion herbeizuführen und grundlegende politische Ziele in Gang zu setzen. Häufig wird eine Reihe von Ideen oder Fragen aufgeworfen und Einzelne sowie Organisationen werden zu Beiträgen aufgefordert„.
Mit eigenen Worten: es wird erst mal die Lage gesichtet, Informationen eingeholt und zusammengetragen um eine Diskussionsgrundlage zu schaffen.
Dieses öffentliche Grünbuch steht dann zur Diskussion, wird debattiert, kann kommentiert und kritisiert werden und kann dann in einem 2.Schritt in ein White Paper (=Weißbuch) münden. So ein Weißbuch der EU ist dann insgesamt konkreter und gibt Vorschläge für ein gemeinsames Vorgehen. Es dient dann als Grundlage für Entscheidungen oder EU-Gesetzesentwürfe und hat damit eine nicht zu unterschätzende Relevanz. Daher bin ich gespannt auf dieses Green Paper mHealth und die daraus folgenden Entwicklungen.
Fertigstellung voraussichtlich März/April 2014
Das Veröffentlichungsdatum wurde durch Céline Deswarte, Policy Officer bei der europäischen Kommission, vor wenigen Tagen auf der ECHAlliance @ Mobile World Congress 2014 konkretisiert. in den nächsten Monaten ist es soweit.
„Striking the balance for innovation and regulation“
In der anschließenden Diskussionsrunde soll Frau Deswarte übrigens laut Luke McNeice auf Twitter über „ihren Balanceakt zwischen Innovation und Regulation“ berichtet haben. Dazu passt prima ein Blogartikel, den ich bei der Recherche ausfindig gemacht habe. Er stammt von Erik Vollebregt, einem Rechtsanwalt aus Amsterdam, der in seinem Blog medicaldeviceslegal.com über European Union legal and regulatory developments in medical devices schreibt. In seinem 10 Tage alten Artikel „Why the NO in innovation?“ bekommt man eine Ahnung, wie sehr sich mHealth und regulatory issues an einander reiben (und reiben werden).
Schafft es die EU, Rechtssicherheit & mHealth adäquat unter einen Hut zu bringen? Wenn ja, wie sie von sich selbst behauptet, wird mHealth in Europa seine Chance bekommen. Wenn nein, was einige befürchten, wird der Weg steinig bleiben.
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Vielen Dank an Eugene Borukhovich, der mich durch einen Tweet auf die Thematik aufmerksam machte.
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