23andMe kauft CureToghether. Wieso-weshalb-warum.

Vor einiger Zeit hat es eine interessante Übernahme im Health 2.0 /Quantified Self-Umfeld gegeben: der Online-Gentest Service 23andMe.com kauft die Health Community Plattform curetogether.com.

Was machen die beiden Startups und warum passen sie zusammen?!

Screenshot 23andme.com Website

Spiegelkugel und Tarot-Karten waren gestern. Gesundheitsvorhersagen verspricht 23andMe für 299$ mittels DNA Analyse.

Eigentlich macht 23andMe nichts Neues. DNA Analyse. In jeder größeren Stadt gibt es Labore, die DNA-Analysen durchführen können. Nicht unwahrscheinlich, dass sie dazu sogar die selben OmniExpress Plus Genotyping BeadChip vom Illumina aus den USA einsetzen würden, die auch bei 23andMe zum Einsatz kommen.  Ähnliche Produkte werden aber auch in Deutschland gefertigt, zum Beispiel von QIAGEN aus Düsseldorf.
In jeder Universitätsklinik  gibt es eine Genetik-Sprechstunde, wo man sich zu seinem DNA-Testergebnis beraten lassen könnte.

Macht natürlich keiner. Niemand googelt sich mal eben die nächste genetische Sprechstunde raus, geht dann da hin und sagt:“War gerade mal neugierig auf meine DNA. Können Sie das mal checken?“. Dort landet man im Allgemeinen nur per Überweisung, wenn zum Beispiel irgend ein Arzt einen Verdacht auf eine genetische Erkrankung geäußert hat. Wer auf eigene Faust ohne Überweisungsschein dort aufkreuzt, dürfte Labor und Sprechstunde auch aus der eigenen Tasche bezahlen.

Hier setzt das Business Model von 23andMe an: der ganze Prozess wird stark vereinfacht und kommt aus einer Hand.  Der Gang in die Klinik entfällt und man muss sich vor niemanden rechtfertigen. „Direct-to-customer genetic tests“ lautet der Fachterminus. Durch poppiges, zeitgemäßes Design im Web 2.0-Stil wird ein Produkt geformt, dass sexy & Massen-tauglich ist:

  • online registrieren und Testkit mit Teststreifen bestellen
  • einmal auf den Streifen gespuckt
  • zurück an 23andMe senden und
  • man bekommt per E-Mail seine Resultate übersendet. Fertig.

Über hohe Testzahlen kann 23andMe die Einkaufspreise für Teststreifen und Labordiensleistungen drücken und somit einen Preis anbieten, der unter der Hemmschwelle für viele Neugierige liegt. Die Akquisition von CureTogether legt die Vermutung nahe, dass auch satte Gewinne gemacht werden. Vielmehr will man auf „Einkaufstour“ gehen: in der offiziellen Pressemitteilung wird von dem Deal als 1. Akquisition gesprochen.

Das sich selbst als Personal Genetics Conpany beschreibende Startup 23andMe kommt, wer hätte es nicht gedacht, aus dem sonnigen Kalifornien. Nicht zufällig ist die Bay Area auch die Keimzelle der Quantified Self Bewegung.

Diese lose Vereinigung setzt sich aus Menschen zusammen, die unterschiedliche Körperdaten (z.B. Puls, Temperatur, Gewicht) oder Aktivitäten (Bewegung, Kaffekonsum or what ever) permanent sammeln, dokumentieren und (mit mal mehr, mal weniger gutem Erfolg) auswerten. Ziel ist dabei vor Allem die Selbstoptimierung.

Waren die letzten Jahrzehnte eher von Praktiken der Selbsterkundung von Geist und der eigenen Seele geprägt (Yoga, New Age, Meditation usw.) suchen Anhänger von Quantified Self, sogenannte „Self Tracker“, interessanterweise die Wahrheit und Selbsterkenntnis wieder eher im Körperlichen. Oder eben das, was sich an Daten aus der Mensch-Maschine mittels Schnittstellen/Sensoren auslesen lässt. Als Teenies haben wir die Mofa frisiert, später wurden unsere Prozessor getuned, gestern wurde das iPhone gejailbreaked. Gewußt wie, lässt sich immer mehr rausholen. Jetzt ist der eigene Körper dran. Body Hacking lautet das Buzzword und die Zielvorgabe. Dank 23andMe muss man dabei auch nicht mehr nur an der (Körper-)Oberfläche bleiben, dem Frontend sozusagen. Nein, wir können in den Code blicken: die DNA.

Die Self Tacker machen meist kein Geheimnis um ihre Messergebnisse. Oft werden diese Daten auch mit anderen geteilt, entweder bei einem der unzähligen Meetings (mehr zu Quantified Self Meetups im Deutschsprachigem Raum hier) oder Online auf einer mittlerweile unüberschaubaren Flut an Portalen, Netzwerken und Communities. Eine der größten davon ist CureTogether. Aus Mountain View, genau, auch in jenem sonnigen Kalifornien.

Was CureTogether genau macht, erschließt sich nicht auf den ersten Blick. Ein Erklärungsansatz bietet der Slogan „Open Source Health Research“. Man kann sich dort registrieren und über diverse Checklisten seine persönlichen Gesundheitserfahrungen bereit stellen. Es gibt zum Beispiel Checklisten zu mehr als 500 speziellen Erkrankungen oder Symptomen. Dabei wird auch abgefragt, wie hilfreich entsprechende Medikamente oder Therapieformen waren. Die Daten aller User werden dann akkumuliert und visuell aufbereitet dargestellt. Dabei werden für die Volkskrankheiten schon beachtliche Fallzahlen ereicht, wie das hier gezeigte Beispiel für Acid Reflux (Sodbrennen) zeigt (Fallzahl n>2.800).

Auf das Bild klicken um den Artikel auf dem CureTogether Blog zu lesen.

Schlussendlich soll der Nutzer durch dieses „Crowdsourcing“ Anregungen zur eigenen Therapie-Optimierung bekommen. Mittels Schwarm-Intelligenz (oder alternativ auch Schwarm-Laien-Wissen) will man gemeinsam gesund werden, „cure together“ also. Was Lieschen Müller geholfen hat, wird mir doch auch helfen.

Ich persönlich stehe ja mit CureTogether etwas auf dem Kriegsfuß. Einerseits die nur so von Selbstverliebtheit und Worthülsen strotzende Webseite (Zitatauswahl: „We work hard to help you…“, „We are here to be good“, Feel better faster“) bei meiner Meinung nach nur mäßig relevanten Daten, die zudem fehlerhaft ausgewertet und aufbereitet werden. Durch mangelhaftem Wissen oder Unkenntnis von statistischen Verfahren entstehen immer wieder falsche, oder zumindest verzehrte Bilder. (Bei meinem Vortrag „Electric body Music – Wenn die Blutdruckmanchette zur Popkultur wird“ auf der re:publica2012 habe ich dies dargelegt).

Vortrag auf der re:publica2012 im Rahmen des re:health Tracks.
Abschnitt zu CureTogether beginnt bei 13Min:21Sec und endet bei 23Min:44Sec.

Ob der Idealismus von den Machern von CureTogther echt oder gespielt ist, lässt sich schwer beantworten. Fakt ist jedenfalls, dass man mit „Patient-generated content“, auch Geld verdienen kann. Das Urgestein aller Health 2.0 Anwendungen PatientsLikeMe macht keinen Hehl daraus, dass die von Usern auf ihrer Plattform zusammengetragenen Daten gezielt ausgewertet und z.B. an die Pharmaindustrie weiterverkauft werden. Allerdings hat PatientsLikeMe wesentlich mehr Nutzer bei gleichzeitig höherwertigen Inhalten. Die User tracken hier teilweise bis ins kleinste Detail ihren ganz individuellen Krankheitsverlauf. Im Prinzip eine digitale Version des guten, alten aus jedem Krankenhaus bekannten Kurvenblatt, wo alle Daten und jeder Handgriff von Krankenschwestern und Ärzten permanent eingetragen werden. Bei CureTogether hingegen werden nur Checklisten (Fragebögen) nach einem starren Schema abgefragt, wobei selbst die Fragen der Checklisten oft unzureichend sind. Bei PatientsLikeMe haben wir zu jedem Event einen Zeitpunkt und können somit Verläufe, Tendenzen oder Wechselwirkungen beobachten. Dabei kann der Event auch viel feiner definiert werden, wohingegen man bei CureToghether mit den Auswahlmöglichkeiten Ja oder Nein und einer 1 bis 5 Sterne Bewertung daher kommt und z.B. Fragen nach dem „Wann“, „Wie oft“ oder „in welcher Dosis“ außen vor lässt. Es lässt sich nur unschwer vermuten, wo der Pharmahersteller bisher lieber Daten abzapfen und auswerten wollte.

Ja oder Nein – und „Null-bis-Fünf-Sterne“-Bewertung.
Screenshot eines Online Fragebogens auf CureTogether.com

Also warum hat sich 23andMe nicht gleich das Sahnetörtchen  PatientsLikeMe unter den Nagel gerissen?! Reicht dafür das Geld dann doch nicht?! Oder ist das ein No-go, weil aus es Boston und damit Eastcoast ist?!

Oder passt die Datenstruktur von CureTogether schlussendlich doch besser zu 23andMe?! Und ist die Schnittmenge zwischen den Nutzern von 23andMe und CureTogether größer als die mit PatientsLikeMe?

Fakt ist, dass es im Netz bereits Anstrengungen gibt, die Ergebnisse von 23andMe (bzw. dem Konkurenten deCODEme) auf Webportalen zu sammeln und anschließend wissenschaftlich auszuwerten. Als interessantes Beispiel möchte ich hier openSNP nennen.

Screenshot Webportal openSNP.org

Screenshot des Webportals openSNP.org

Die Nutzer fangen an mit den Daten zu spielen, Forscher fangen an sie zu analysieren. Der neue Trend der Personalisierten Medizin stützt sich zum Großteil auf genetische Beobachtungen. Hier möchte 23andMe partizipieren: sie wollen nicht nur die Rohdaten liefern, sondern auch am Veredelungsprozess teilhaben. Dazu benötigen sie eine Community-Plattform und haben kurzerhand das bereits etablierte CureTogether „von nebenan“ eingekauft. Wenn man die Nutzer von 23andMe dazu bewegt, nun auch noch die „Fragebögchen“ auf CureTogether auszufüllen, könnte eine ganz interessante Daten-Schnittmenge entstehen.

„The acquisition will improve our own ability to gather data for research and give customers more tools to explore and participate in online communities“, kann man dazu auf dem 23andMe Blog lesen. In der bereits oben erwähnten Pressemitteilung wird wie folgt begründet: „CureTogether brings to 23andMe additional tools and systems for gathering data from health-based communities that are complementary to the existing 23andMe platforms, allowing customers to share quantitative information on more than 500 medical conditions, talk about sensitive symptoms and compare which treatments work best for them as they track their health.“ Und auch die „Einverleibten“ machen keinen unglücklichen Eindruck, sind doch die Gründer von CureTogether gleich in das Führungsteam von 23andME übernommen worden. Alexandra Carmichel äußerte sich in einem Interview direkt nach der Übernahme folgendermaßen:“ We are joining the team as Senior Product Managers. Our backgrounds as genetics researchers, serial entrepreneurs, developers, and community builders should bring a variety of options to the table for how we can help out.“ 

Es handelt sich offensichtlich um eine Win-Win Situation und könnte Potential haben. Zumindest, wenn man daran glaubt, dass die so zusammengemischten Daten wirklich der Wissenschaft dienlich sind (und somit auch ihr kommerzieller Wert steigt).
Das jetzt etwas ins Hintertreff geratene PatientsLikeMe versucht eifrig in die selbe Richtung zu rudern: auf deren Blog dreht es sich immer öfter um Genom und Personalisierte Medizin…

The power to be a better mother, father, son or daughter: Microsoft HealthVault

Screenshot des Dashboards der  Microsoft HealthVault Gesundheitsplattform

Soeben habe ich mich bei HealthVault registriert. Das geht jetzt nämlich in deutscher Sprache und unter dem Namen Microsft HealthVault.

HealthVault ist eine persönliche und sichere Online-Gesundheitsplattform, mit deren Hilfe, Sie Ihre wertvollen Gesundheitsdaten speichern, verwalten und mit Gesundheits-dienstleistern austauschen können“ steht auf der neu gestalteten deutschsprachigen Webseite von HealthVault geschrieben. Als Einführung möchte ich dieses Promo-Video zum Besten geben, aus dem ich auch den wunderbar verherrlichenden Titel dieses Beitrages „The power to be a better mother, father, son or daughter“ entliehen habe:

HealthVault ist ja eigentlich ein alter Hut. In regelmäßigen Abständen erscheint es wieder und geht durch die Presse. 2007 wurde es in den USA gelauncht, wenig später mit einem Partner auch in Kanada erhältlich gemacht. 2010 ist es dann nach Europa rüber geschwappt. In UK wird es seither von Microsoft unter dem eigenen Brand HealthVault angeboten, in Deutschland hatte man ein Lizenzmodell vorgezogen. Siemens IT-Solutions and Services wurde Lizenznehmer und sollte als Vertriebspartner und Betreiber fungieren, erstes Infomaterial wurde erstellt und dem Kind der sich mir nicht erschließende Name Assigno gegeben. Kurz darauf hat Siemens dann aber nur das Hosting bei sich behalten und die eigentliche Vermarktung an einen Atos übergeben.
Unter der Regie des nun 2. deutschen Lizenznehmer der HealthVault Technologie wurde es 2011 von Atos weiterhin unter dem Namen Assigno in Deutschland erhältlich, wobei sich die Vermarktung (meiner Meinung nach unverständlicherweise) im ersten Schritt nicht an Endverbraucher, sondern vornehmlich an Anwendungsentwickler und Gerätehersteller richtete. Die wiederum sollten einem Partnerprogramm beitreten und die entsprechende Vernetzung und Komptabilität mit in Deutschland bestehenden Systemen, Infrastrukturen oder Geräten gewährleisten.

Quelle: Atos, Assigno Partner Portal

HealthVault  konnte nirgendwo auf der Welt die Erwartung übertreffende Registrierungen vorweisen und  nicht zu vergessen war Google zur selben Zeit gerade dabei sein Pendant Google Health dicht zu machen. Man hatte daher Sorge, mit der nackten solitären Gesundheitsplattform zu starten könnte als Flop enden. Daher wollte man zuvor ein Assigno-Ecosystem auf die Beine stellen um von Anfang an einen Mehrwert bieten zu können. Zudem sollten die Partner natürlich auch als Multiplikatoren dienen um dann beim „eigentlichen Launch“ auf breiten Schultern aufgestellt zu sein.

Die Rechnung ging aber scheinbar nicht auf, vermutlich da sich nicht ausreichend Partner für das Ecosystem finden ließen. Die Gründe können vielfältig sein, vielleicht lag es an den hohen Einstiegshürden in das Partnerprogramm (das zum Beispiel eine Zahlung im 5-stelligen Bereich beinhaltete), oder dem bei relativ hohem Aufwand für die Partner nicht abschätzbarem Erfolg des Projektes.

Kurzum, irgendwie waren alle zu zaghaft und halbherzig. Das Risiko der Markteinführung und -erschliessung in Deutschland wollte niemand auf sich nehmen. Angefangen bei Microsoft selber, dann Siemens, weiter zu Atos bis hin zu der Geräteherstellern und Anwendungsentwicklern, die dann als schwächstes Glied in der Kette verständlicherweise gar nicht erst auf das Pferd aufgesprungen sind.

Scheinbar zieht man nun bei Microsoft die Reißleine und nimmt das Ruder wieder selbst in die Hand. Schon auf der diesjährigen ConhIT war HealthVault am Microsoft-Stand in meinen Augen auch wieder präsenter. Ein Microsoft Mitarbeiter am Stand wies mich dann auch auf einen Launch in Deutschland im Juni hin. Selbiges kann man auch in diesem sehr aufschlussreichen Artikel auf dem MSDN-Blog von Sean Nolan nachlesen, der für Microsoft über HealthVault berichtet. Dort ist auch zu lesen, dass Assigno nicht weiter fortgeführt wird. Welch ein Befreiungsschlag, denn das verschachtelte System an Lizenznehmern schaffte nicht sonderlich Transparenz und Vertrauen. Nun weiß man, wo man dran ist. Raider ist wieder Raider und nicht mehr Twix. Meine Daten werden bei Microsoft liegen und das Ding heißt, wie eigentlich schon immer: HealthVault.

Jetzt können Gerätehersteller und Anwendungsentwickler aus Deutschland auch ohne Vertrag-Hickhack sich an die Plattform andocken, das HealthVault Developer Center steht für jeden offen.

Ich bin jedenfalls gespannt, wie es weiter geht und wünsche HealthVault einen guten Start!

Zusammenfassende Dokumentation re:health-Subkonferenz der re:publica 09

Logo der re:health09Blog Banner republica 2009 An dieser Stelle plane ich die Subkonferenz re:health 09 der re:publica 2009 zu dokumentieren. Es war die erste „re:health“, also einem speziellem Track mit Gesundheitsbezug im Rahmen der re:publica.

Vorab erst mal nur eine lose Linksammlung:

http://www.heise.de/newsticker/meldung/re-health-aerzte-auf-der-re-publica-211503.html

http://www.netzpiloten.de/review-zur-rehealth/

http://news.doccheck.com/de/2549/mal-wieder-2-0/

http://praegnanz.de/weblog/kritik-an-der-republica-09

http://medpr.wordpress.com/2009/03/26/shift-happens-%E2%80%93-republica09/

http://clemens.blogs.com/clemens/2009/04/r%C3%BCckblick-republica.html

rp09_re-health 09

Gerne Hinweise auf weitere Erwähnungen, Bilder, Videos etc.! Bitte an info.ät.medizin-und-neue-medien.de senden, vielen Dank!


Erwähnt sei im Zusammenhang mit der re:health 09 noch das Medizin2null Symposium, einer Art Vorläufer-Veranstaltung aus dem November 2008.

Weitere Artikel zur re:publica auf medizin-und-neue-medien.de hier.