Zusammenfassende Dokumentation Health Sessions auf der re:publica 13

Vom 6.-8. Mai 2013 fand in Berlin zum 7. Mal die re:publica statt. Nach den Jahren 2009, 2010 und 2012 gab es auch in diesem Jahr wieder einige Sessions, die sich speziell mit Gesundheitsfragen auseinandersetzten.

An dieser Stelle möchte ich die Veranstaltungen so genau wie möglich dokumentieren.


Die Sessions


Zukunft der Gesundheitsversorgung: Internetmedizin in Deutschland – Podiumsdiskussion

session internetmedizn Digital-Health cc Kai Nehm

Foto: trau_kainehm@flikr

Es diskutierten:

Miriam Quentin
Vorstand , Bundesverband Internetmedizin

Miriam Quentin ist seit 2005 als PR-Beraterin selbständig und seit 2009 geschäftsführende Gesellschafterin der mediageno Verlags GmbH, einem Tochterunternehmen der Ärztegenossenschaft Nord eG. Zur Kernkompetenz von mediageno gehört die Entwicklung von Internetkonzepten und Mobile Applications für das Gesundheitssystem, zunehmend in Kooperation mit verschiedenen Ärztegruppierungen. Ende 2012 gehörte sie zum Gründungsteam des Bundesverband Internetmedizin, der sich zum Ziel gesetzt hat, der Entwicklung von Internetmedizin im schwierigen deutschen Gesundheitswesen auf die Sprünge zu helfen.

Markus Müschenich
ConceptHealth

Facharzt für Kinderheilkunde und Jugendmedizin Gesundheitswissenschaftler, Master of Public Health Vorstand Paul-Gerhardt-Diakonie (2001-2008) Vorstand Sana Kliniken AG (2009-2012) Managing Partner FLYING HEALTH – Die Startup-Manufaktur (2013) Gründer von ConceptHealth – The Berlin Think Tank in Healthcare (2000) Gründungsmitglied Bundesverband Internetmedizin (2012).

Sebastian Vorberg Sebastian Vorberg, LL.M. (Houston) ist Fachanwalt für Medizinrecht und Gründer der Kanzlei Vorberg & Partner Rechtsanwälte und Steuerberater in Hamburg. Nach dem Studium in Hamburg, Heidelberg und Houston (USA) leitete er zunächst die Rechtsabteilung des Pharmaunternehmens Strathmann AG, um sich 2002 in eigener Kanzlei nieder zu lassen. Heute ist die Kanzlei als eine der größten Medizinrechtskanzleien in Norddeutschland bekannt und hat unter www.medizinanwalt.de und in allen sozialen Netzwerken eine starke virtuelle Präsenz. Neben diversen Artikeln und Veröffentlichungen über Patientensteuerung und Internetmedizin ist RA Vorberg für die Hochschule Hannover Dozent für das Krankenhausrecht im Rahmen der Ausbildung Krankenhausmanagement für Ärztinnen und Ärzte.

Moderation:

Tobias Neisecke
Arzt, Health 2.0 Spezialist, Kurator re:health, Polygon Berlin Verein

Jahrgang 1973. Geboren in Braunschweig. Weitere Stationen: Dortmund bis zum Abitur, Krankenpflegeausbildung in Bayreuth, anschließend in Frankfurt/M berufstätig als Krankenpfleger. Seit 1999 in Berlin, Studium der Humanmedizin an der Charité, Approbation als Arzt im Juni 2006. Zwischen 2006 und 2009 als Entrepreneur mit dem Startup YOUin3D.com GmbH unterwegs, das sich auf Anwendungen und Kommunikationsformen im 3D-Internet spezialisiert hat. Dort auch intensiv mit den Einsatzmöglichkeiten von virtuellen Räumen für medizinische Anwendungen auseinander gesetzt. Von 2010 bis 2012 Projektleiter für IT-gestütztes Innovationsmanagement bei der strategischen Unternehmensberatung Schaltzeit GmbH aus Berlin. Dort auch aktiv als Reviewer und Trendscout für Topics aus den Bereichen Health 2.0 und E-Health. Seit 2013 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an einem Universitätsklinikum, Arbeitsschwerpunkt Telemedizin und eHealth. Tobias war Kurator der re:health12, einem Track der re:publica12 und ist regelmäßiger Speaker auf Konferenzen und Fachtagungen zu den Themen Health 2.0, Gesundheitskommunikation, Web 2.0, New Media und Virtuelle Welten. Er bloggt unter Medizin und Neue Medien.


Soziale Netzweke im ärztlichen Behandlungsraum 

Thomas Schmidt
Freiberufler, netAction

1982 geboren, Elektrotechnik studiert, und nun Frontend-Web-Entwickler und netzpolitischer Aktivist. Seit 2009 Doktorand der Medizinischen Informatik an der TU Braunschweig. Autor und Programmierer bei Wikipedia, mittlerweile Datenvisualisierer für Online-Zeitungen. Session-Info: Kernthese: Ärzte googeln, lesen Blogs und Wikipedia. Wenn sie konkrete Fragen zu einem Behandlungsfall stellen wollen, wählen sie kleine und abgeschlossene Netzwerke wie Mailing-Listen. Die großen kommerziellen Communitys und die mit Qualitätssiegeln geschmücken Verzeichnisse werden von Ärzten mit vielen Patientinnen kaum verwendet. Beschreibung: Wo muss medizinisches Wissen veröffentlicht werden, damit Ärzte davon profitieren? Weiß während einer Behandlung auch die Kollegin vor Ort nicht weiter, wird häufig der Browser geöffnet. Neben Uni und Fortbildungen trägt die ungeplante, informelle Bildung entscheidend zur Qualität der medizinischen Versorgung in Deutschland bei. Wir haben Inhalte veröffentlicht, User getrackt und Ärzte befragt, wie sie sich informieren. Mit beeindruckenden Ergebnissen. Der Vortrag enthält viele grafische Darstellungen des Nutzerverhaltens und von Sozialen Netzen.


Gesundheit im Internet in Zentraleuropa: Status Quo und Innovationspfade

Alexander Schachinger
Gründer und Geschäftsführer, healthcare42

Alexander Schachinger ist Gründer und Geschäfts- führer der Forschungs- und Beratungsagentur healthcare42 in Berlin mit Fokus auf der Analyse und Umsetzung digitaler Patientendienste. Nach dem Staatsexamen und der Tätigkeit als Physiotherapeut am Universitätsklinikum Würzburg studierte er Medienökonomie in Berlin und Toronto und begann seinen Werdegang bei internationalen Digitalstrategieagenturen sowie Arzneimittelher- stellern. Seit 2010 ist er als Forscher und Autor aktiv und berät Unternehmen aus der Gesundheits- und Telekommunikationsindustrie. Aktuell beendet er seine Dissertation zum Phänomen Patienten im Internet an der Humboldt Universität zu Berlin.

Session-Info:

Kernthese:

Unabhängig vom deutschen Gesundheitssystem entstehen digitale Innovationspfade für chronisch Kranke, welche großes Potential haben die medizinische Versorgung zu verbessern.

Beschreibung:

Der Vortrag stellt die Kernergebnisse einer Analyse der 800 meistbesuchten Internetseiten, Communities und Anwendungen zum Thema Krankheit und Gesundheit in den Ländern Deutschland, Österreich und der Schweiz dar.

Innovationspfade, welche völlig neue Dienste für insbesondere chronisch kranke Menschen darstellen werden gesondert visuell beschrieben und Beispiele dargestellt.


Ein Blick in die Zukunft der Personalisierten Medizin

Nicole Ambacher
Co-Founder, ExpertSight

Nicole Ambacher ist Zukunftsforscherin und hat eine Leidenschaft für die Gestaltung von Konzepten der Gesundheitsversorgung, die auch Morgen und Übermorgen noch tragfähig sind. Sie hat Zukunftsforschung im Masterprogramm der Freien Universität studiert und arbeitet seither freiberuflich in Forschung und Wirtschaft. Ihr Fokus liegt auf der Vorausschau im Gesundheitswesen und der Weiterentwicklung von Methoden der Zukunftsforschung für den Einsatz in Unternehmen. Sie hat zuvor Pflegepädagogik studiert und in der Patientenversorgung und Ausbildung von Pflegepersonal in Deutschland, Wales und Gambia in West Afrika gearbeitet. Für ein Start-Up in Berlin hat sie E-Health-Angebote für chronisch kranke Patienten konzeptioniert.

Daniel Knapp
Gründer und Geschäftsführer, ExpertSight

Daniel Knapp ist Ingenieur für Informatik und Digitale Medien. Er konzeptioniert und realisiert seit 15 Jahren Anwendungen für das Internet und legt seinen Schwerpunkt auf die Gründungs- und Wachstumphase von Unternehmen. Seit 2012 arbeitet er als Mitgründer und CEO von ExpertSight an Software zur Vorausschau und forscht zu Fragestellungen der Gesundheitsbranche. Davor hat er an individualisierten Online-Verhaltensschulungen für chronisch kranke Patienten gearbeitet. Er freut sich auf die zukünftigen Einsatzmöglichkeiten von IT zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung.

Session-Info:

Kernthese: Neue Geschäftsmodelle, feste Partnerschaften und Vernetzung zwischen Ärzten, Patienten und Industrie: Die Personalisierte Medizin ist eine der bedeutendsten Innovationen im Gesundheitsmarkt und ermöglicht eine Verbesserung von Diagnostik und Therapie. Doch sie erfordert die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und fester Partnerschaften zwischen bisher nur lose verbundenen Akteuren im Gesundheitswesen. Patienten, Ärzte, Pharmaindustrie und Diagnostikunternehmen müssen sich vernetzen, um neue Geschäftsmodelle zu realisieren. Beschreibung: Die Personalisierte Medizin hat das Potenzial die Gesundheitsversorgung zu verbessern und gleichzeitig das Gesundheitssystem zu entlasten. Im Gegensatz zur herkömmlichen Medizin analysiert sie genetische, molekulare oder zelluläre Merkmale von Patienten und erzielt dadurch eine höhere Passgenauigkeit von Therapie und Diagnostik.Doch bisher fehlt es noch an Konzepten, wie Dienstleistungen und passende Geschäftsmodelle entwickelt werden können. In unserem Vortrag wollen wir die Ergebnisse einer Delphi-Studie zu “Neue Geschäftsmodelle in der Personalisierten Medizin” zum ersten Mal der Öffentlichkeit vorstellen. Diese Studie wurde im Rahmen des Verbundforschungsprojektes „Dienstleistungspotenziale in der Personalisierten Medizin“ für die Universität Potsdam durchgeführt und wurde vom Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt. Zuerst geben wir einen Überblick über das Konzept der Personalisierten Medizin. Was bedeutet personalisierte Diagnostik und Behandlung und wer kann davon profitieren? Im Anschluss werden Potenziale neuer Geschäftsmodelle in der Personalisierten Medizin aufgezeigt und Auswirkungen auf Forschung und Entwicklung diskutiert. Wie verändern sich Geschäftsmodelle durch die Personalisierte Medizin und welche neuen Partnerschaften können entstehen? Zuletzt wenden wir uns der Rolle des Internets zur der Vernetzung von Akteuren im Gesundheitswesen zu. Welche Rolle spielt das Internet in der Gewinnung von Kunden und als Vertriebskanal für die Personalisierte Medizin? Wir wollen einen Blick in die Zukunft der Personalisierten Medizin wagen und neue Ansätze der Gesundheitsversorgung aufzeigen.


Blended Health – Immer noch nicht gesund durch’s Internet? Zu dumm, zu arm oder hilft es einfach nicht?

Kai Sostmann
Head eLearning department

Kai Sostmann, Studied Human Medicin in Berlin und Naples, Practising as Physician in University children’s Hospital of the Charité since 2001, Head of the eLearning department of the Charité; Focus on: Social Media in Healthcare,Multitouchbased Learning Environments

Session-Info:

Kernthese:

Gesundheitstools im Netz helfen aber nur bei gezielter Anwendung. Internet-Gesundheitskompetenz muss bei den Anwendern_innen vorhanden sein oder entsprechend gefördert werden. Diese Kompetenzen sind gut gebildeten, sozial besser gestellten Schichten vorbehalten.

Beschreibung:

Immer wieder ergeben sich im Internet neue Trends, die den Anwendern vorgaukeln, sie würden in der Breite zu einer Verbesserung der Gesundheit führen. Reine Gesundheitsinformationsseiten haben sich mittlerweile zu respektablen Trägern von relevanten Gesundheitsinformationen gewandelt. Arztsuchdienste helfen uns den richtigen Arzt zu finden. Sogar Soziale Netzwerke tragen zur Rettung der Volksgesundheit bei. Einer der neueren Trends, Quantified Self, hilft dem Einzelnen stärker sich selbst auf gesundes Verhalten aktiv zu kontrollieren. Welche dieser Werkzeuge erzeugen wirklich relevanten Gesundheitsnutzen und welche dienen nur einer weiteren Verteuerung des Gesundheitswesens oder aber einer Umverteilung der Gesundheitsressourcen von bildungsfernen Schichten hin zu gut gebildeten, gut ausgerüsteten, selbstkritischen internetaffinen Bevölkerungsteilen. In einer interaktiven Session werden die Teilnehmer der Session durch die verschiedenen Gesundheitsttools geführt und können selbständig ihren persönlichen Healthscores ermitteln und damit kennen lernen, wie gesund sie sich bereits verhalten, lernen, wie sie durch die Unterstützung des Internet gesünder verhalten können oder Mitmenschen in ihrem Gesundheitsverhalten unterstützen können.


E-Zigarette, der Genuß der aus dem Internet kam

Thomas Andrezak
DJ, Blogger, Enthusiast

 

 

 

Session-Info:

Kernthese:

Die E-Zigarette stellt erstmals eine gesündere und zeitgemäße Alternative für Nikotinabhängige dar, bietet nerdigen Spaß und wurde erstaunlich hart durch Desinformation von Stellen von denen man es nicht erwartete bekämpft, während die Innovation Purzelbäume schlägt.

Beschreibung:

Elektronische Zigaretten sind ein gesünderer und nerdigerer Weg Nikotin zu sich zu nehmen als die sogenannte Analogzigarette. Dabei handelt es sich in den meisten Fällen um einen Akku, der einen Verdampfer befeuert, welcher eine Mischung aus Diskonebel, Aroma und wenn gewünscht, Nikotin verdampft. Das Phänomen E-Zigarette zieht seit ca. 2009, hauptsächlich im Internet vertrieben, seine Kreise. Ausgehend von China, über die USA ist es nun auch zunehmend in Europa angekommen, wo sie sogleich in Gefahr stand, neu, unbekannt, also gefährlich, auch wieder verboten zu werden. Mittlerweile versachlicht sich die Diskussion, aber der Weg dahin war steinig. Währenddessen hat die Innovation Sprünge gemacht und aus dem unscheinbaren Ding, das anfangs versuchte die Zigarette in Form und Funktion nachzuahmen ist ein Gerät geworden, das mal kleiner als eine Zigarette ist, mal Außmaße einer Maglite Taschenlampe annimmt oder gleich ganz futuristisch daher kommt, samt USB Anschluß für den Rechner zum Aufladen und Download der Dampfgewohnheiten zur Ansicht in Apps. Trotzdem befinden wir uns immer noch am Anfang einer Entwicklung, die langfristig Tabak auf die Plätze verweisen kann (kein Passivrauchen, keine stinkenden Klamotten, keine gelben Wände mehr), weswegen ihr auch, angefangen von Furcht um Tabaksteuer bis zu Tabaklobby und sogar Pharmalobby, ein starker Wind entgegenbläst.Diese Geschichte und deren zukünftige Auswirkungen plus die dazu benötigten Gerätschaften von der Zigarettenimitation bis zum Selbstwickler auf Akkuträger möchte ich in meinem Vortrag vorstellen.



Pressespiegel / Blogosphäre


In Arbeit, wird ergänzt…

Der Gesundheitswirt:“ Gesundheit, Medizin und Health 2.0 bei der re:publica 13„, 29.April 2013

moderne-unternehmenskommunikation.de: „K12 @ re:publica 2013 – Tag 3, 10.Mai 2013

autoimmunbuch.de: „Mind the gap: Der lange Weg des Gesundheitswesens ins Netz (re:publica-Rückblick, Teil 1 von 2), 11.Mai 2013

autoimmunbuch.de: „Closing the gap: rp13-Rückblick und Ausblick aufs HealthCareCamp, 13.Mai 2013

detektor.fm: „vox:publica 05/2013-Ein Rückblick auf die re:publica 2013, 13.Mai 2013

Medical-IT-Blog.de: „Internetmedizin, Patienten-Apps und Health 2.0: Gesundheitsthemen auf der re:publica 13„, 24.Mai 2013

BundesverbandInternetmedizin.de: „IIHC und re-publica: Aufbruch in eine neue Welt, 30.Mai 2013

DoSchu.com: „rp13 in/side/out – warum Healthcare auf die re:publica gehört „, 29.Juni 2013

 


Fehlt was?! Gerne Hinweise auf weitere Erwähnungen, Bilder, Videos etc.! Bitte an info.ät.medizin-und-neue-medien.de senden, vielen Dank! Dokumentation wird ständig ergänzt.
Aktueller Stand: 14. Januar 2014.

Weitere Artikel zur re:publica auf medizin-und-neue-medien.de hier.

Der Traum von Professional Mobile Health – und die limitierenden Faktoren der Realität

Kommen mobile Endgeräte im Zusammenhang mit medizinischen Anwendungen zum Einsatz wird von Mobile Health (kurz m-Health). Dabei kann man Professional Mobile Health, also den Einsatz durch medizinisches Fachpersonal in Gesundheitseinrichtungen,  von Consumer Mobile Health abgrenzen. Dies sind zum Beispiel in App Stores verfügbare Apps, die keiner Kontrolle unterliegen und oft auch im Wellness /- Lifestyle-Bereich angesiedelt sind. Klassiker sind Ernährungsberater, Fitnesstrainer, oder Anwendungen zur Erfassung von Messwerten (Blutzucker, Blutdruck) oder Wohlbefinden (Schmerz, Stimmung).

Smartphones & Tablet PCs sind allgegenwärtig  Über die Kitteltaschen des medizinischen Fachpersonals haben sich mobile Endgeräte auch längst in die Kliniken eingeschleust. Und natürlich fragt sich der Arzt auf Station früher oder später, warum diese praktischen kleinen Dinger aus dem Privatgebrauch nicht auch auf Station für Datenerhebung und Dokumentation eingesetzt werden. Auch Patienten nutzen zunehmend Smartphones mit angedockten Sensormodulen oder diverse Apps, um ihre Gesundheitsdaten zu erfassen. Beim Aufnahmegespräch in der Klinik oder in der Hausarztpraxis bleibt dem Arzt dann oft nichts anderes übrig, als sich die digital vorhandenen Werte vom Display auf einen Bogen Papier abzuschreiben.

GLUCODOCK® BLUTZUCKER-MESSMODUL von Medisana

GLUCODOCK® BLUTZUCKER-MESSMODUL von Medisana (www.medisana.de)

 

Einen Weg des elektronischen Datentransfers vom Endgerät des Patienten zu der medizinischen IT Infrastruktur muss er Schulter-zuckend verneinen. Für Patient (und eventuell den behandelnden Arzt) entsteht so der Eindruck der Rückständigkeit des Gesundheitssystems. Dies bedingt einen zunehmenden Druck „von innen“ auf die IT-verantwortlichen der Krankenhäuser.

Die Industrie steht unter Druck

Dieser Druck wurde postwendend an die Hersteller von Soft- oder Hardware für den Gesundheitssektor weitergegeben. Bedeutet das für diese Anbieter nicht ein neuer Markt?! Bedingt. Erst einmal sind nämlich nicht unerhebliche Investitionen nötig: sie haben von Haus aus nicht die Kompetenzen für mobile Technologien. Das heißt, sie müssen entweder ein spezialisiertes Developer-Team aufbauen oder Know-how und die Entwicklung von extern zukaufen bzw Kompetenzpartner hinzuziehen.

Zum richtigen Zeitpunkt am Start war hier die xonion GmbH: sie hat sich auf Mobile Healthcare IT spezialisiert und bereits zwei Krankenhausinformationssysteme „mobil“ gemacht. Einerseits das von Agfa Healthcare angebotene ORBIS ME!- Mobile Version sowie  MCC.Mobile von Meierhofer.

Leider sind die Krankenhäuser aber oft gar nicht bereit, zum Beispiel für eine mobile Variante des im Einsatz befindlichen Krankenhausinformationssystems (KIS) Geld auszugeben. Dies wird vielmehr vom KIS-Anbieter als „kleine“ Zugabe oder Update voraus gesetzt. Die IT Verantwortlichen der Kliniken stehen in einer guten Verhandlungsposition und sind „Zugaben“ gewohnt, da der KIS Markt heiß umkämpft ist und der Verlust eines Kunden für einen Anbieter schmerzlich ist. Im Umkehrschluss bieten mobile Lösungen aber ein Alleinstellungsmerkmal (USP) und somit Vorteile bei der Neukundengewinnung.

Mobile Health Startups haben es schwer

 Natürlich gibt es auch eine Reihe von Startups, die mit viel Elan genau diesen Markt besetzen wollen. Allerdings treffen sie auf den sehr konservativ geprägten Markt der Health IT. Als neuer „Player“ hat man es dort sehr schwer. Wie bereits erläutert gibt es eh nicht viel Geld zu verteilen und zweitens stellen sich die alten Branchenriesen insgeheim auch quer: immerhin könnte man Mobile Health auch als disruptives Element für ihre bestehenden Ertragskanäle ansehen. Und es lassen sich auch leicht Argumente finden, die Professional Mobile Health in Frage stellen.

Consumer Electronics vs. Medizintechnik

Schließlich muss einem klar sein, dass es sich bei Smartphones oder Tablet PCs schlichtweg um Consumer Electronics handelt, nicht aber um medizintechnische Produkte. Sie sind nicht darauf ausgelegt, die hohen Anforderungen im Klinikalltag an Sicherheit, Robustheit, Desinfizierbarkeit etc. zu erfüllen, und die Hard- und Software kann auch leicht an denn gesetzliche Auflagen oder Normen (CE, ISO, Medizinproduktegesetz etc.) Schiffbruch erleiden. Ebenfalls typisch für Consumer Electronics: die kurzen Lebenszyklen der Produkte. Alle 1-2 Jahre kommt eine neue Produktversion auf den Markt, bestes Beispiel hier das iPhone. Im Jahre wurde es 2007 eingeführt, in diesem Jahr bereits das iPhone 5 vorgestellt. Medizintechnik hingegen ist traditionell auf Langlebigkeit ausgelegt und greift bevorzugt auf altbewährte Technologien zurück. Wie wird man damit im Gesundheitssektor umgehen?! Die mobilen Endgeräte jedes Jahr kostenintensiv austauschen? Oder an einer Version „hängen bleiben“ und damit in 5 Jahren mit dem iPhone5 genauso rückständig erscheinen wie jetzt ohne?!

Erst mit der elektronischen Patientensakte macht Mobile Health richtig Sinn

Wurde früher im Gesundheitswesen alles auf Papier notiert und in Patientenakten gesammelt, werden zunehmend Daten digital erfasst. Diese werden dann wiederum ausgedruckt und der Papierakte hinzugefügt. Das führt jetzt schon zu einer doppelten Buchführung und Verwirrung: man muss oft an 2 Stellen suchen, bevor man einen Befund gefunden hat. Wir haben auch keinen Vorteil, wenn die Krankenschwester auf Ihrem Stationsrundgang Messwerte am Patientenbett ganz „smart“ in den Tablet PC eingibt, diese dann aber anschließend altbacken auch in die Papierdokumentation über tragen muss. Es liegt also ein Medienbruch vor.

Erst wenn die gesamte Dokumentation in der Klinik oder der Arztpraxis digital erfolgt und wird die Blütezeit der mobilen Endgeräte beginnen: nahtlos werden Daten mobil erfasst und an die IT-Infrastruktur übertragen. Alle Informationen stehen jedem mit Zugangsberechtigung in Realtime zur Verfügung.

In der Forschung passiert viel

Theoretisch sind wir schon viel weiter. In unzähligen Pilotprojekten, vor allem aus dem Umfeld der Telemedizin, ist Machbarkeit längst nachgewiesen. Die technischen Hürden lassen sich überwinden. Doch: für welchen Preis? Und: Ist der technische Aufwand gerechtfertigt? Bedeutet der Einsatz von Mobile Health einen wirklichen Benefit für den Patienten? Oder ist es nur eine Luxusvariante und Spielerei für medizinisches Fachpersonal? Sind mobile Endgeräte für das Gesundheitswesen ein must-have oder nur ein nice-to-have?! Die Klärung dieser Fragen wird sicherlich noch einige Jahre in Anspruch nehmen und somit der flächendeckende Roll-out mobiler Technologien im Gesundheitsdienst auf sich warten lassen.

Der Markt der Gesundheits-Apps boomt

Unberührt von den Diskussionen im professionellen Gesundheitsmarkt über Sinn und Zweck von mobilen Anwendungen explodiert das Angebot von Gesundheits-Apps. Schätzungen rechnen mit 100.000 Mobile Health Apps für Ende 2012. In einer unüberschaubar gewordenen Flut an Anwendungen wird es für den Nutzer auch immer schwerer adäquate Produkte in seinem App Store zu finden. Die Qualität schwankt sehr  stark und wirklich gute Anwendungen leider eher selten zu finden.

Zusammengefasst habe ich meine Überlegungen zu Mobile Health auch in einem Impulsvortrag beim 1.Barcamp Health IT in Berlin, hier meine Folien:

23andMe kauft CureToghether. Wieso-weshalb-warum.

Vor einiger Zeit hat es eine interessante Übernahme im Health 2.0 /Quantified Self-Umfeld gegeben: der Online-Gentest Service 23andMe.com kauft die Health Community Plattform curetogether.com.

Was machen die beiden Startups und warum passen sie zusammen?!

Screenshot 23andme.com Website

Spiegelkugel und Tarot-Karten waren gestern. Gesundheitsvorhersagen verspricht 23andMe für 299$ mittels DNA Analyse.

Eigentlich macht 23andMe nichts Neues. DNA Analyse. In jeder größeren Stadt gibt es Labore, die DNA-Analysen durchführen können. Nicht unwahrscheinlich, dass sie dazu sogar die selben OmniExpress Plus Genotyping BeadChip vom Illumina aus den USA einsetzen würden, die auch bei 23andMe zum Einsatz kommen.  Ähnliche Produkte werden aber auch in Deutschland gefertigt, zum Beispiel von QIAGEN aus Düsseldorf.
In jeder Universitätsklinik  gibt es eine Genetik-Sprechstunde, wo man sich zu seinem DNA-Testergebnis beraten lassen könnte.

Macht natürlich keiner. Niemand googelt sich mal eben die nächste genetische Sprechstunde raus, geht dann da hin und sagt:“War gerade mal neugierig auf meine DNA. Können Sie das mal checken?“. Dort landet man im Allgemeinen nur per Überweisung, wenn zum Beispiel irgend ein Arzt einen Verdacht auf eine genetische Erkrankung geäußert hat. Wer auf eigene Faust ohne Überweisungsschein dort aufkreuzt, dürfte Labor und Sprechstunde auch aus der eigenen Tasche bezahlen.

Hier setzt das Business Model von 23andMe an: der ganze Prozess wird stark vereinfacht und kommt aus einer Hand.  Der Gang in die Klinik entfällt und man muss sich vor niemanden rechtfertigen. „Direct-to-customer genetic tests“ lautet der Fachterminus. Durch poppiges, zeitgemäßes Design im Web 2.0-Stil wird ein Produkt geformt, dass sexy & Massen-tauglich ist:

  • online registrieren und Testkit mit Teststreifen bestellen
  • einmal auf den Streifen gespuckt
  • zurück an 23andMe senden und
  • man bekommt per E-Mail seine Resultate übersendet. Fertig.

Über hohe Testzahlen kann 23andMe die Einkaufspreise für Teststreifen und Labordiensleistungen drücken und somit einen Preis anbieten, der unter der Hemmschwelle für viele Neugierige liegt. Die Akquisition von CureTogether legt die Vermutung nahe, dass auch satte Gewinne gemacht werden. Vielmehr will man auf „Einkaufstour“ gehen: in der offiziellen Pressemitteilung wird von dem Deal als 1. Akquisition gesprochen.

Das sich selbst als Personal Genetics Conpany beschreibende Startup 23andMe kommt, wer hätte es nicht gedacht, aus dem sonnigen Kalifornien. Nicht zufällig ist die Bay Area auch die Keimzelle der Quantified Self Bewegung.

Diese lose Vereinigung setzt sich aus Menschen zusammen, die unterschiedliche Körperdaten (z.B. Puls, Temperatur, Gewicht) oder Aktivitäten (Bewegung, Kaffekonsum or what ever) permanent sammeln, dokumentieren und (mit mal mehr, mal weniger gutem Erfolg) auswerten. Ziel ist dabei vor Allem die Selbstoptimierung.

Waren die letzten Jahrzehnte eher von Praktiken der Selbsterkundung von Geist und der eigenen Seele geprägt (Yoga, New Age, Meditation usw.) suchen Anhänger von Quantified Self, sogenannte „Self Tracker“, interessanterweise die Wahrheit und Selbsterkenntnis wieder eher im Körperlichen. Oder eben das, was sich an Daten aus der Mensch-Maschine mittels Schnittstellen/Sensoren auslesen lässt. Als Teenies haben wir die Mofa frisiert, später wurden unsere Prozessor getuned, gestern wurde das iPhone gejailbreaked. Gewußt wie, lässt sich immer mehr rausholen. Jetzt ist der eigene Körper dran. Body Hacking lautet das Buzzword und die Zielvorgabe. Dank 23andMe muss man dabei auch nicht mehr nur an der (Körper-)Oberfläche bleiben, dem Frontend sozusagen. Nein, wir können in den Code blicken: die DNA.

Die Self Tacker machen meist kein Geheimnis um ihre Messergebnisse. Oft werden diese Daten auch mit anderen geteilt, entweder bei einem der unzähligen Meetings (mehr zu Quantified Self Meetups im Deutschsprachigem Raum hier) oder Online auf einer mittlerweile unüberschaubaren Flut an Portalen, Netzwerken und Communities. Eine der größten davon ist CureTogether. Aus Mountain View, genau, auch in jenem sonnigen Kalifornien.

Was CureTogether genau macht, erschließt sich nicht auf den ersten Blick. Ein Erklärungsansatz bietet der Slogan „Open Source Health Research“. Man kann sich dort registrieren und über diverse Checklisten seine persönlichen Gesundheitserfahrungen bereit stellen. Es gibt zum Beispiel Checklisten zu mehr als 500 speziellen Erkrankungen oder Symptomen. Dabei wird auch abgefragt, wie hilfreich entsprechende Medikamente oder Therapieformen waren. Die Daten aller User werden dann akkumuliert und visuell aufbereitet dargestellt. Dabei werden für die Volkskrankheiten schon beachtliche Fallzahlen ereicht, wie das hier gezeigte Beispiel für Acid Reflux (Sodbrennen) zeigt (Fallzahl n>2.800).

Auf das Bild klicken um den Artikel auf dem CureTogether Blog zu lesen.

Schlussendlich soll der Nutzer durch dieses „Crowdsourcing“ Anregungen zur eigenen Therapie-Optimierung bekommen. Mittels Schwarm-Intelligenz (oder alternativ auch Schwarm-Laien-Wissen) will man gemeinsam gesund werden, „cure together“ also. Was Lieschen Müller geholfen hat, wird mir doch auch helfen.

Ich persönlich stehe ja mit CureTogether etwas auf dem Kriegsfuß. Einerseits die nur so von Selbstverliebtheit und Worthülsen strotzende Webseite (Zitatauswahl: „We work hard to help you…“, „We are here to be good“, Feel better faster“) bei meiner Meinung nach nur mäßig relevanten Daten, die zudem fehlerhaft ausgewertet und aufbereitet werden. Durch mangelhaftem Wissen oder Unkenntnis von statistischen Verfahren entstehen immer wieder falsche, oder zumindest verzehrte Bilder. (Bei meinem Vortrag „Electric body Music – Wenn die Blutdruckmanchette zur Popkultur wird“ auf der re:publica2012 habe ich dies dargelegt).

Vortrag auf der re:publica2012 im Rahmen des re:health Tracks.
Abschnitt zu CureTogether beginnt bei 13Min:21Sec und endet bei 23Min:44Sec.

Ob der Idealismus von den Machern von CureTogther echt oder gespielt ist, lässt sich schwer beantworten. Fakt ist jedenfalls, dass man mit „Patient-generated content“, auch Geld verdienen kann. Das Urgestein aller Health 2.0 Anwendungen PatientsLikeMe macht keinen Hehl daraus, dass die von Usern auf ihrer Plattform zusammengetragenen Daten gezielt ausgewertet und z.B. an die Pharmaindustrie weiterverkauft werden. Allerdings hat PatientsLikeMe wesentlich mehr Nutzer bei gleichzeitig höherwertigen Inhalten. Die User tracken hier teilweise bis ins kleinste Detail ihren ganz individuellen Krankheitsverlauf. Im Prinzip eine digitale Version des guten, alten aus jedem Krankenhaus bekannten Kurvenblatt, wo alle Daten und jeder Handgriff von Krankenschwestern und Ärzten permanent eingetragen werden. Bei CureTogether hingegen werden nur Checklisten (Fragebögen) nach einem starren Schema abgefragt, wobei selbst die Fragen der Checklisten oft unzureichend sind. Bei PatientsLikeMe haben wir zu jedem Event einen Zeitpunkt und können somit Verläufe, Tendenzen oder Wechselwirkungen beobachten. Dabei kann der Event auch viel feiner definiert werden, wohingegen man bei CureToghether mit den Auswahlmöglichkeiten Ja oder Nein und einer 1 bis 5 Sterne Bewertung daher kommt und z.B. Fragen nach dem „Wann“, „Wie oft“ oder „in welcher Dosis“ außen vor lässt. Es lässt sich nur unschwer vermuten, wo der Pharmahersteller bisher lieber Daten abzapfen und auswerten wollte.

Ja oder Nein – und „Null-bis-Fünf-Sterne“-Bewertung.
Screenshot eines Online Fragebogens auf CureTogether.com

Also warum hat sich 23andMe nicht gleich das Sahnetörtchen  PatientsLikeMe unter den Nagel gerissen?! Reicht dafür das Geld dann doch nicht?! Oder ist das ein No-go, weil aus es Boston und damit Eastcoast ist?!

Oder passt die Datenstruktur von CureTogether schlussendlich doch besser zu 23andMe?! Und ist die Schnittmenge zwischen den Nutzern von 23andMe und CureTogether größer als die mit PatientsLikeMe?

Fakt ist, dass es im Netz bereits Anstrengungen gibt, die Ergebnisse von 23andMe (bzw. dem Konkurenten deCODEme) auf Webportalen zu sammeln und anschließend wissenschaftlich auszuwerten. Als interessantes Beispiel möchte ich hier openSNP nennen.

Screenshot Webportal openSNP.org

Screenshot des Webportals openSNP.org

Die Nutzer fangen an mit den Daten zu spielen, Forscher fangen an sie zu analysieren. Der neue Trend der Personalisierten Medizin stützt sich zum Großteil auf genetische Beobachtungen. Hier möchte 23andMe partizipieren: sie wollen nicht nur die Rohdaten liefern, sondern auch am Veredelungsprozess teilhaben. Dazu benötigen sie eine Community-Plattform und haben kurzerhand das bereits etablierte CureTogether „von nebenan“ eingekauft. Wenn man die Nutzer von 23andMe dazu bewegt, nun auch noch die „Fragebögchen“ auf CureTogether auszufüllen, könnte eine ganz interessante Daten-Schnittmenge entstehen.

„The acquisition will improve our own ability to gather data for research and give customers more tools to explore and participate in online communities“, kann man dazu auf dem 23andMe Blog lesen. In der bereits oben erwähnten Pressemitteilung wird wie folgt begründet: „CureTogether brings to 23andMe additional tools and systems for gathering data from health-based communities that are complementary to the existing 23andMe platforms, allowing customers to share quantitative information on more than 500 medical conditions, talk about sensitive symptoms and compare which treatments work best for them as they track their health.“ Und auch die „Einverleibten“ machen keinen unglücklichen Eindruck, sind doch die Gründer von CureTogether gleich in das Führungsteam von 23andME übernommen worden. Alexandra Carmichel äußerte sich in einem Interview direkt nach der Übernahme folgendermaßen:“ We are joining the team as Senior Product Managers. Our backgrounds as genetics researchers, serial entrepreneurs, developers, and community builders should bring a variety of options to the table for how we can help out.“ 

Es handelt sich offensichtlich um eine Win-Win Situation und könnte Potential haben. Zumindest, wenn man daran glaubt, dass die so zusammengemischten Daten wirklich der Wissenschaft dienlich sind (und somit auch ihr kommerzieller Wert steigt).
Das jetzt etwas ins Hintertreff geratene PatientsLikeMe versucht eifrig in die selbe Richtung zu rudern: auf deren Blog dreht es sich immer öfter um Genom und Personalisierte Medizin…

Ambient Assisted Living – Made in Germany

Offizielles Logo des Forschungsprojektes SmartSenior
Ein Großprojekt im Bereich Telemedizin & Ambient Assisted Living ist nach 3 1/2 Jahren Laufzeit zu Ende gegangen: SmartSenior. Ich besuchte die Fachtagung zum Projektabschluss am 19.September in Berlin. Da ich dort während meiner Arbeitszeit und als Vertreter meines Arbeitgebers war, habe ich meine Eindrücke mal nicht hier sondern auf dem Unternehmensblog der Schaltzeit GmbH geschrieben. Daher hier nur ein kleiner Querverweis und der Link zu dem Artikel:
SmartSenior – Der digitale Seniorentreff.

Diagnose von Hautkrebs mit dem Smartphone

In der Medienberichterstattung wird immer wieder der Eindruck erweckt, das iPhone sei das neue Wundermittel schlecht hin: keine Diagnose, die man nicht mit ihm stellen,

iPhone als Urahn des Star Trek Tricoder

keine Erkrankung die man nicht mit ihm heilen könne. Gerne werden Assoziationen  zum Tricoder gezogen, jenem Gerät, das bei Star Trek  nach einem kurzen Scan und 2-3 Pfeiftönen medizinische Diagnosen von humanoiden oder extraterristischen Lebensformen auswirft.

Ohne das iPhone bashen zu wollen: Leider sind wir doch noch nicht im Star Trek Zeitalter angekommen sind. Das iPhone kann selbst mit Apps & Devices bewaffnet bestenfalls als Urahn des Tricoders herhalten.

In der letzten Zeit sind eine Reihe von Anwendungen auf den Markt gekommen, die bei der Diagnose, Überwachung oder Prävention von Hautkrebs zum Einsatz kommen sollen. In den Medien wurde ausgiebig berichtet und gehypt. Ein guter Anlass, sich exemplarisch „Hautkrebs“ heraus zu greifen und ein paar Anwendungen genauer unter die Lupe zu nehmen. Eine ähnliche Auflistung hätte man übrigens auch für diverse andere Erkrankungen machen können. Die Muster wiederholen sich allerdings, sodass ich die „Hautkrebs-Anwendungen“ für einigermaßen repräsentativ halte.


Quelle: Press kit Skinscan

Die  meistgenannte Anwendung ist zweifelsfrei  die Skin Scan-App. Nicht von ungefähr: sie kommt am sensationellsten (und zugleich zweifelhaftesten) daher. Laut der Webseite ist  Skin Scan „ a medical application created for you to easily scan and monitor your moles[=“Leberfleck“] over time in order to prevent skin cancer„. So wird es gemacht: einfach ein Bild aus 10-15cm vom Leberfleck machen und den „Analyse“ Button drücken. Die Anwendung baut eine Verbindung mit dem Server von Skin Scan auf und das Bild wird mittels  „specific mathematical algorithms“ analysiert. Anschließend erfolgt eine Einstufung des Leberflecks in high, medium oder low risk und eine“Fractal Map“ der Läsion wird angezeigt.
Das Funktionsprinzip sei folgendermaßen:

Quelle: Press kit Skinscan

jedes Gewebe habe eine speziefische fraktal-ähnliche Struktur. Diese ließen sich klassifizieren und die „Fractal Dimensions“ und numerischen Charakteristika von normaler Haut und diversen Tumorgewebe ermitteln. Das ganze in besagten Algorithmus gepackt und fertig ist die App.

Kann das funktionieren?

Ich habe mal in medizinischen Datenbanken nach Fractal Dimensions gestöbert und in der Tat einige Veröffentlichungen gefunden die sich genau mit der Diagnose von Tumorgewebe mittels Ermittlung von Fraktalen Dimensionen auseinandersetzen. Bingo! Die gibt es tatsächlich! Zum Beispiel ein Paper aus Kanada und eines aus China. Also alles gut mit Skin Scan?! Nun, ja. Die Kanadier nutzten „high frequency ultrasound“, die Chinesen werteten „Two-photon microscopy images“ aus. Alles  beides sehr aufwendige und teure Technologien wie das Foto eines solchen

Quelle: HelmholtzZentrum München

Mikroskopes am HelmholtzZentrum in München verdeutlicht. Skin Scan gibt sich hingegen mit einem Schnappschuss mit der Standard-iPhone Kamera zu Frieden.

Jetzt gibt es mehrere Möglichkeiten:

Variante 1: Die Jungs von Skin Scan sind genial. Sie sollten schnellstens den Medizin-Nobelpreis verliehen bekommen statt ihre Wahnsinnsinnovation  für 4,99$ im AppStore verhöckern zu müssen.

Variante 2: Skin Scan arbeitet mit korrekten Algorithmen aber das gelieferte Bildmaterial(= iPhone Camera) ist nicht ausreichend um ein adäquates Ergebnis zu liefern. Der CEO spricht selber von gerade mal 70% richtiger Ergebnisse. Fast ein Drittel der Anwender bekommt also kein oder ein falsches Ergebnis. Durchstöbert man das Netz nach Testberichten, wird von unterschiedlichen Testern berichtet, dass die Anwendung „falschen Alarm“ schlägt, also der harmlose Leberfleck als böse-böse-böse eingestuft wird. Als nächstes möchte die App einen über die integrierte Arztsuche gleich zum nächstgelegenen Hautarzt jagen. So kann man das Volk auch verrückt machen und Wartezimmer mit App-Fehldiagnosen füllen. Nett gemeint ist auch, das auf einem Google Maps Layer alle Ergebnisse aller Nutzer aggregiert angezeigt und so eine Art Heatmap generiert werden soll. Es sollen auf der Karte also Bereiche mit erhöhter Hautkrebsprävalenz aufgedeckt werden. Die offensichtliche Beliebigkeit der angezeigten Marker  lässt aber kein Muster erscheinen, und Zonen mit erhöhter Hautkrebsgefahr (z.B. Tropen) stechen auch nicht heraus. Vielleicht ist die vom CEO eingestandene Fehlerquote von 30% doch als sehr optimistisch einzustufen?! Kurzum: Die ganze Sache erscheint definitiv noch nicht ausgereift oder ist schlichtweg nicht praktikabel.

Variante 3: Das ganze ist ein dreister Fake. Zwei „gekaufte“ (oder am Gewinn beteiligte)  Wissenschaftler liefert ein bisschen Fraktal-Palaver, eine offizielle Pressemeldung, und alle Welt fällt auf eine Rumänische Ente rein. Einschließlich IBM SmartCamp und TechCrunch Europe.

Abschließend möchte ich folgendes YouTube Video des CEO Victor Anastasiu von Skin Scan nicht vorenthalten:


Beim handyscope wird das iPhone zu einem medizinischen Untersuchungsgerät „gepimpt“. Das Smartphone wird in eine Schale gesteckt und eine „Präzisionsoptik“ schiebt sich vor die iPhone-Camera.

Das handyscope wird auf eine Läsion gehalten, und man erhält auf dem Display eine bis zu 20-fach vergrößerte, entsprechend ausgeleuchtete Ansicht. Ein Snapshot gemacht und fertig ist die Dokumentation der Hautauffälligkeit.

Eine Diagnose stellt das handyscope nicht, es ist also für den Privatgebrauch nutzlos und macht nur in der Hand des Facharztes Sinn. Es will die mobil vernetzte Variante der bisher von Hautärzten

Klassiker aus der analogen Welt: Dermatoskop HEINE mini3000

genutzten Dermatoskopen sein. Das handyscope bietet als entscheidenden Mehrwert die Möglichkeiten der Digitalfotografie: Dokumentation, Speicherung und Bildverarbeitung und -übertragung, z.B. Versand per Mail an einen Kollegen.

Der Preis des handyscope von 495,80€  plus Mehrwertsteuer mag für den Laien hoch erscheinen. Gerätschaften für die medizinische Diagnostik sind aber generell teuer, dafür verfügen sie aber im Allgemeinen über einen hohen Qualitätsstandard und eine lange Lebensdauer. Da rechnet sich der hohe Preis.Ein Dermatoskop ist auch eine einmalige Anschaffung und bleibt viele Jahre in der Kitteltasche. Genau da hakt es allerdings bei der Vermählung mit dem für seine kurzen Produktlebenszyklen bekannten iPhone. Das handyscope ist an das iPhone 4 und 4S adaptiert. Noch in diesem Jahr wird mit dem iPhone 5 gerechnet. Das 5-er wird allen Gerüchten zu Folge eine Linse mit veränderter Brennweite und ein schmaleres Gehäuse haben und damit eine neue Variante des handyscope notwendig werden. Und was ist mit dem iPhone 6, 7, 8 usw.?! Für den Hautarzt bedeutet das: entweder an einer iPhone Version „hängen bleiben“, oder alle 1-2 Jahre ein neues handyscope.  Dann mag der Preis auch dem Hautarzt und nicht nur dem Laien als hoch erscheinen. Ebenso wird sich zeigen ob FotoFinder, der Entwickler des handyscope, überhaupt in diesen Teufelskreis einsteigt und eine Version für das iPhone 5 anbieten wird.

Die iPhone Kamera ist, selbst mit vorgeschalteter Optik nur ein Kompromiss, aber sicher nicht das Optimum. Schließlich sind Smartphone-Kameras vor Allem für Portrait- und Landschaftsaufnahmen optimiert, nicht aber für Nahaufnahmen (Makro). Sinnvoller und der eigentlich logische Schritt wäre eine an den Verwendungszweck adaptierte Kamera samt Optik als externes Device und eine Konnektion mittels Adapterkabel an das iPhone (beliebiger Versionsnummer) oder eines anderen Smartphones bzw. Tablet PCs. Das mobile Endgerät würde dann nur als Anzeige- und Eingabegerät sowie als Datenspeicher und zum Datentransfer dienen. Der initiale Aufwand wäre hier um einiges größer (Entwicklung Device,Unterstützung mehrerer Betriebssysteme), dafür entstünde ein langlebiges, von Plattformen und Versionen unabhängigeres Produkt mit einem bedeutend größeren Marktpotential. Zugegeben natürlich dann nicht ganz so sexy und trendy wie das handyscope.


Ein ganz anderer Ansatz steckt hinter dem SunSmart UV Alert. Der als Smartphone App (für iPhone, Android, Samsung) oder Web-widget erhältiche Gratis-Service informiert über die UV Strahlung an dem eigenen Standort (via GPS) oder an einem aus einer Liste auszuwählenden Ort. Dabei wird eine Warnung ausgegeben, wann Sonnenschutz nötig ist also zum Beispiel zwischen 8:15am und 4:20pm in diesem Schaubild.

SunSmart UV Alert

Quelle: Cancer Counsil Australia; www.cancer.org.au

Als Quelle für die UV-Werte wird eine Datenbank des australischen Wetterdienstes angezapft, dementsprechend funktioniert die Anwendung natürlich auch nur in Australien.

Trotzdem habe ich es hier mit aufgeführt, weil es für mich ein Paradebeispiel einer sinnvollen, vernünftigen App ist. Sie nutzt die Qualitäten eines Smartphones optimal aus ohne es zu überfordern. Kein Hokuspukus, kein teurer Extra-Schnick-Schnack. Man muss die Kamera nicht erst gegen die Sonne halten, und nein, es müssen keine UV-oder-sonstwas-Sensoren angedockt werden. Das Messen überlassen wir den Spezis in der Wetterwarte, das App bestimmt nur mittels GPS meine Position und saugt sich von dort die Daten. Und wenn´s im wahrsten Sinne des Wortes brenzlich wird vibriert mein iPhone in der Hose und erinnert mich daran, die Sonnencreme raus zu holen.

Ob der Tricoder wohl auch so pfiffige Funktionen hat?!

Das Web-Widget ist frei verfügbar und ich habe es hier eingebettet: